Vom Autor der Fachbücher "The Sound of Silence" erhalten Sie hier einen fachlichen Einblick zu Hintergründen der Lautsprechertechnik - von der Spannungsversorgung über Frequenzgangkorrektur bis zur Brummton-Verminderung. Informationen über die Bücher von Burkhard Vogel erhalten Sie am Ende des Artikels.
English version: see Electronics World (ex Wireless World) 2006-02, pp 50:
"Improved Electrostatic Loudspeaker Power Supply for QUAD ESL 57 and Braun LE 1"
Der Anlaß zur Entwicklung einer neuen Spannungsversorgung des elektrostatischen Lautsprechers (LS) Braun LE 1 (und damit auch des fast baugleichen QUAD ESL 57) hat sich dadurch ergeben, daß ich sicherlich nicht der Einzige bin, der empfindlich auf 50Hz- oder 100Hz-Brumm reagiert. Da die LS mit einer Hochspannung von 1,625kV (1,6kV) für die Hochton-Paneele und 6,5kV (6,0kV) für die Tieftonpaneele betrieben werden, diese mittels einer Spannungsvervielfacherschaltung nach Greinacher aus ca. 600V Leerlauf-Wechselspannung erzeugt werden, ergibt sich zwar im Mittel die geforderte Hochspannungs-Gleichspannung, aber die ca. 600V Wechselspannung "tanzen" sozusagen weiterhin aufgeprägt auf diesem Mittelwert herum. Somit hören empfindliche Ohren diesen Brumm. Abhilfe schafft nur eine Neuentwicklung, die eine vergleichbar hohe Wechselspannung höherer Frequenz erzeugt, hier mit garantiert unhörbaren ca. 50kHz.
Die Verschaltung der Tiefton- und Hochtonpaneele der beiden Lautsprechertypen ist jeweils in Abb. 1 und Abb. 2 gezeigt, die jeweiligen Hochspannungsversorgungen in Abb. 3 & 4.
Abb. 1 Braun LE 1 Audio-Eingang und Verschaltung der Paneele
Abb. 2 Quad ESL 57 Audio-Eingang und Verschaltung der Paneele
Der Haupt Unterschied zwischen den beiden Schaltungen besteht in einer Frequenzgangkorrektur beim ESL 57 in Abb. 2 mittels der RC-Glieder C1-R9 und C2-R8. Dies führt zu einem für angelsächsische Ohren milder klingenden Hochtonbereich und führt elektrisch zu einem sanften Abfall des Frequenzgangs hin zu ca. -3dB bei 20kHz gegenüber den Frequenzbereichen unterhalb ca. 1kHz.
Diese Frequenzgangkorrektur findet sich nicht mehr in Abb. 1, da sich die deutschen Hörgewohnheiten in den 50iger und 60iger Jahren des vorigen Jahrhunderts wohl höhenfreudiger darstellten und man Wert auf einen absolut geraden Frequenzgang im Hörbereich legte - und immer noch legt. Diese "angelsächsische" Schule findet sich z. B. auch in den Frequenzgangkurven der BBC-Abhörlautsprecher-Vorschriften à la LS3/5, LS3/9 etc. wieder.
Abb. 3 LE 1 Hochspannungsversorgung
Abb. 4 ESL 57 Hochspannungsversorgung
Der erste Versuch zur Brumm-Verminderung bestand nun darin, den Kondensatoren in Abb. 3 einen doppelt so hohen Wert zu geben, wie dort angegeben: 20n durch Parallelschaltung eines weiteren 10n Typs. Die Spitzen Brummspannung UBrSS mit der Frequenz f ergibt sich in einer Greinacher-Schaltung mit 4 Stufen aus (1).
(1)
Wenn man also C in (1) verdoppelt halbiert sich also die Brummspannung. Eine Verringerung des Wechsel-Stroms Ia hätte ebenfalls einen entsprechenden Effekt. Die entsprechend adaptierte Abb. 5 zeigt eine verbesserte Version von Abb. 3.
Abb. 5 Verbesserte Schaltung nach Abb. 3
Auch mit der Schaltung nach Abb. 5 verringert sich der Brumm zusätzlich, ist für mich aber in Signal-Pausen immer noch deutlich hörbar.
Nach (1) kann also die Lösung kann nur in der völligen Neukonstruktion einer höher-frequenten Spannungsversorgung mit f >> 50Hz bestehen. Abb. 6 zeigt den entsprechenden Schaltplan.
Abb. 6 LE 1 / ESL 57 Hochspannungserzeugung mit ca. 50kHz
In der Zeitschrift Elektor 03-98, S. 60 ff, wurde einstens ein Aufsatz über "Negative Ionen für positives Raumklima" von H. Bonekamp veröffentlicht. Zur Erzeugung einer 3kV Gleichspannung diente eine Schaltung, die mittels einer, durch einen Multivibrator erzeugten, Wechselspannung sowie nachgeschaltetem Transformator die hierzu benötigte Wechselspannung bei ca. 50kHz hervorbrachte.
Der dort gezeigte 1:60 Transformator erfüllte exakt die für die LE 1 Zwecke notwendigen Bedingungen und wurde in Abb. 6 als Tr1 eingesetzt. Der Multivibrator um die Transistoren T1 & T2 wird gegenüber dem Bonekamp-Entwurf wegen der benötigten niedrigeren Versorgungsspannung angepaßt (R1 ... R4), da in dem hier liegenden Fall die Ausgangswechselspannung V(w2) nur ca. 600V betragen soll und nicht ca. 3kV wie im Fall des Ionen-Erzeugers.
Mit VR1 wird eine geregelte Spannungsversorgung im LE 1 erzeugt und über LED1 kontrolliert. Sie ist über P1 einstellbar. Damit läßt sich die Amplitude von V(w2) einstellen, sodaß sich die jeweilige benötigte Hochspannung über den Spannungsvervielfacher automatisch ergibt. Gespeist wird das Ganze über ein Steckernetzteil mit 12V Ausgangsgleichspannung.
Es gibt mindestens zwei Möglichkeiten, die Hochspannung für den Hobby-Elektroniker einigermaßen exakt einzustellen:
1. Die Hauruck-Methode:
Man erhöht mittels P1 die Ausgangsspannung V(w2) so hoch, daß es im Lautsprecher zu leichtem Prasseln der Überschläge in den Baß-Paneelen kommt, und dreht dann sogleich P1 etwas zurück, sodaß das Prasseln gerade verstummt. Es kann allerdings sein, daß man bei hoher Luftfeuchtigkeit nochmals etwas nachregeln muß
2. Die Meßmethoden:
a) In Abb 6 ist sie gezeigt, und zwar mittels eines Vorschaltwiderstands von 990MΩ und eines Spannungsmessers (V) mit 10MΩ Eingang läßt sich die Hochspannung leichter einstellen. 6kV ergäben dann eine Ablesung von 60V, wenn der Innenwiderstand der Hochspannungsversorgung 0Ω hätte. Dies ist leider nicht der Fall, sondern je nach gewählten Dioden, Kondensatoren und Transformator-Innenwiderstand schwankt der Schaltungs-Innenwiderstand zwischen ca. 30MΩ und ca. 120MΩ. Dies führt dazu, daß die Ablesung von ca. 54V eher den 6kV entspricht.
b) Mißt man mit dem o. g. Meßinstrument die Ausgangswechselspannung V(w2) von Tr1 und stellt sie auf 574Vrms ein, so erzielt man mit den in Abb. 6 gezeigten Bauteilen des Spannungsvervielfachers die gewünschten Hochspannungen für den LE 1 automatisch. Voraussetzung ist, daß das Meßgerät 50kHz sauber und ohne frequenzgangbedingtem Abfall messen kann.
Ich habe die Spannungsvervielfacher-Varianten nach Abb. 3 und Abb. 5 jeweils, auch mit der Verdopplung des C-Wertes auf 20n, in Abb. 6 gemessen und gehört. Ein Unterschied war bei den LE 1 nicht feststellbar, sodaß man mit C = 10n und der Schaltung nach Abb. 3 auskommt.
Die wesentlichen Bauteile sind in Abb. 6 angegeben, wobei die Widerstände alle 1% 0,6W Metallschicht-Typen und C1 ... C5 WIMA MKS-2 50V-Typen sind. Ein Kühlkörper für VR1 ist nicht notwendig.
Der Transformator Tr1 hat die folgenden Daten:
- ETD29 mit N27 Kern;
- w2: 900 Windungen 0,2mm-CuL in 12 Lagen zu je 70 Windungen; Anfang und Ende isolieren und mit Trafostiften verlöten;
- w1: 2 x 7 Windungen 0,4mm-CuL in einer Lage auf w2; Anfang, Ende und Mittelanzapfung ebenfalls mit Trafostiften verlöten;
- Alle Windungsebenen durch doppelte Lagen Isolierband trennen;
Zur Unterbringung der ganzen Schaltung bedarf es der folgenden Änderungen am LE 1:
- Man entfernt den Transformator Tr1 aus Abb. 3 nebst dem alten Spannungs-vervielfacher
- Man bringt an die Stelle des entfernten Abb. 3-Transformators die Platine mit der neuen Hochspannungserzeugung gemäß Abb. 6 an. In meinem Fall besteht diese Platine aus der Bausatz-Platine zu dem weiter oben geschilderten Aufsatz von H. Bonekamp. Sie war damals mit der Artikel-Nr. 980303-3FTR bei Geist-Electronic zu beziehen. Dort bekam man auch den fertig gewickelten Transformator.
- Anstelle der alten Hochspannungserzeugung bringt man eine selbstentwickelte Platine mit der neuen gemäß Abb. 6 an.
- Die Spannungsversorgung um VR1 läßt sich auf einer kleinen Lochrasterplatine unterbringen, die nebst S1 & B1 an einem Hilfsblech an der Stelle untergebracht ist, an der ursprünglich der Spannungsversorgungseingang saß. Die LED1 findet dort auch noch Platz.
Wenn man schon so weit geht, die gesamte Spannungsversorgung völlig neu aufzubauen, dann sollte man auch daran denken, vorausgesetzt die Eingangs-Transformatoren arbeiten noch korrekt, die Widerstände der Abb. 1 & 2 auszutauschen. Abb. 7 zeigt die entsprechende Detail-Situation des LE 1. Bevor man mit dem Ausbau beginnt sollte man alle Kabel sorgfältig bezeichnen. Hinterher wird es ansonsten mehr als mühsam sich zurecht zu finden. Die Widerstände sind 2% 2W Metallschicht Typen.
Da die Paneele empfindlich auf Übersteuerung reagieren kann man auch den Einbau einer Schutzschaltung für den Hochtöner in Erwägung ziehen. Die damals von Quad entworfene verrichtet ihre Dienste ohne das Signal im zulässigen Bereich zu beeinflussen. Ihr Einbau ist in Abb. 7 zwischen den Punkten 2 & 3 gezeigt. Es ist eine kleine Platine, die man am Rahmen gleichermaßen befestigen kann wie die beiden der Spannungsversorgung. Im Internet findet man ähnliche, nutzbare Lösungen.
Abb. 7 Bezeichnungen der Verdrahtung des LE 1
Achtung:
Im Schaltungsvorschlag geht es um Hochspannung, die nicht nur für empfindliche Naturen gefährlich werden kann.
Die weiteren Photos zeigen die Lage der oben erwähnten Einbauten in einem LE 1 nebst einem Rückseiten-Überblick.
Abb. 8 LE 1 Rückseite geöffnet
Abb. 9 Ansicht auf DC input und Hinweis auf Protection Circuit
Abb. 10 LE 1 Typenschild und Lautsprecher Eingang mir 15 Ohm Impedanz
Abb. 11 Blick auf die Hochspannungsversorgungseinheit, befestigt an der Original-Halterung der ursprünglichen Spannungsversorgung
(links: Hochspannungskaskade, mitte: blaue Platine mit Tr1 und DC-Regelung auf Lochrasterplatine, rechts: DC Input und S1
Abb. 12 Blick in den Hochspannungsblock
Abb. 13 Lage des Audio-Transformators (unter dem Alu-Blech mit der grünen Nummer des LE 1), der Hochton-Schutzschaltung (unten) und der Widerstände nebst Kabelanschlüssen aus Abb. 7
Text und Bilder: Burkhard Vogel
Infos über Vogels Bücher:
The Sound of Silence, 2nd ed.,
http://www.springer.com/engineering/electronics/book/978-3-642-19773-4
How to Gain Gain, 2nd ed.,
http://www.springer.com/engineering/electronics/book/978-3-642-33032-2
Balanced Phono-Amps - An Extension to the "The Sound of Silence" editions
Erscheinungstermin: vorauss. 2015-Q4