Raumakustik 1 - Schall, Reflexionen, Nachhallzeit, Hallradius
In unserer Artikelreihe über die Grundlagen der Raumakustik wollen wir versuchen zu erklären, warum HiFi-Anlagen nicht in jedem Hörraum zu gleich guten klanglichen Ergebnissen fähig sind. Oft ist der Käufer von teuren Komponenten enttäuscht, wenn die beim Fachhändler hervorragend klingende Stereoanlage daheim mit dünnem Bass und undefinierten Höhenlagen zu kämpfen hat. Mit den folgenden Zeilen werden wir Ihnen Wege aufzeigen, durch die es Ihnen ermöglicht wird, den Klang Ihrer HiFi-Anlage mitunter drastisch zu verbessern.
Inhaltsverzeichnis:
1. Physikalische Grundbegriffe
2. Reflexionen
3. Nachhallzeit und Nachhalldauer:
4. Der Hallradius
5. Messung
Im vorliegenden ersten Teil unserer Raumakustik-Reihe wollen wir uns zunächst einige Begriffe aus der Akustik näher ansehen, die auch in der Raumakustik von großer Bedeutung sind. Im Hörraum bilden sich insbesondere im Bereich tiefer Frequenzen stehende Wellen aus. Was hinter diesem physikalischen Phänomen steckt und welche Auswirkungen es auf die Schallwiedergabe im geschlossenen Raum hat erfahren Sie in Artikel zwei. Im dritten Teil unserer Reihe geht es in die Praxis. Sie erhalten wertvolle Tipps, wie Sie Ihre HiFi-Anlage optimal positionieren und wie sie auf relativ einfache Weise dröhnenden Bass entschärfen. Auch die Akustik Ihres Hörraumes im Bereich der mittleren und hohen Frequenzen kann mit einfachen Mitteln oft drastisch verbessert werden. Wie? Das erfahren Sie in Artikel vier.
1. Physikalische Grundbegriffe
Zunächst wollen wir uns den Begriff Schall näher ansehen. Schall ist ganz allgemein immer dann gegeben, wenn sich Druck- und Dichteschwankungen in einem Medium fortpflanzen. Als Beispiel wollen wir eine in Luft schwingende Gitarrenseite betrachten. Diese wird während ihrer Bewegung angrenzende Luftmoleküle periodisch mitbewegen. Bewegt sich die Saite durch die Luft, so wird sich hinter der Saite ein Luftmolekülmangel, vor der Seite ein Überschuss bilden. Es kommt daher zu einer Dichteveränderung. Diese Dichteveränderung versucht sich auszugleichen und schiebt dabei wiederum die nächstgelegenene Moleküle an. Es kommt zu einer Kettenreaktion. Die durch die Schwingung der Saite hervorgerufene Dichteschwankung breitet sich schnell nach allen Seiten im Raum hin aus. Diese Ausbreitung kann man als Fortbewegung einer Welle, einer Schallwelle, deuten. Die Geschwindigkeit mit der diese Ausbreitung vollzogen wird ist die Schallgeschwindigkeit. Sie ist allgemein abhängig von Dichte des Mediums, also vom Material selbst, aber auch von der Temperatur. In Luft beträgt die Schallgeschwindigkeit bei einer Temperatur von 0°C 330m/s.
Da die Gitarrensaite mit unterschiedlichen Frequenzen schwingen kann, existieren selbstverständlich auch verschiedene Schallfrequenzen. Wir wollen uns in den folgenden Texten auf den hörbaren Frequenzbereich zwischen 20Hz und 20KHz beschränken, es soll aber angemerkt sein, dass Schall nicht dadurch definiert ist, dass er hörbar ist. Ultraschall oder Infraschall sind beispielsweise ebenfalls Schallarten, die unser Gehör jedoch nicht wahrnehmen kann.
Redet man von der Lautheit einer Schallquelle, so meint man damit den subjektiv vom Gehör empfundenen Lärmeindruck. Die Lautheit dient zum Vergleichen eines beliebigen Tones mit einem Referenzton bestimmter Lautstärke. In der Regel stellt ein 1kHz-Ton die Referenz dar. Ein anderer Ton beliebiger Frequenz, den das Gehör genauso laut wahrnimmt wie diesen Refenzton, besitzt die gleiche Lautheit wie die Referenz. Die Lautheit wird in der Einheit Phon gemessen. 0 Phon entspricht dabei einem gerade noch nicht wahrnehmbaren Ton der Referenzfrequenz (1kHz).
Die Schallintensität eines Tones ist dagegen anders definiert. Sie ist definiert als Energie, die die Schallwelle pro Zeitintervall auf eine bestimmte Fläche einstrahlt. Auch hier existiert ein Referenzpegel. Bei einer Fläche von 1m2 und einer Einstrahlzeit von 1s ist der Schallpegel null gegeben, wenn die Intensität des Schalls 10-12W/m2 beträgt. Eng mit dem Begriff der Schallintensität verknüpft ist der Schalldruck. Er ist definiert als mittlere Stärke der Dichteschwankung in der Luft, also als mittlere Amplitude der Schallwelle. Er wird in der bekannten Einheit Dezibel (dB) angegeben. Die folgende Tabelle enthält einige Referenzwerte für den Schalldruck:
Art des Geräusches | erzeugter Schalldruck |
Atmen | 10dB |
Unterhaltung | 60dB |
Lärmpegel Fabrik | 80dB |
Rockkonzert | 120dB |
Düsentriebwerk | 150dB |
Die Grenze der Wahrnehmbarkeit des Ohres kann in Dezibel aufgrund dessen Frequenzabhängigkeit nicht genau angegeben werden. Bei 1kHz liegt die Hörgrenze bei 0dB, etwas über 1KHz sogar noch darunter. Die Schmerzgrenze beträgt bei 1kHz gut 120dB. Will man Musik über eine Verstärker-Lautsprecher-Anlage wiedergeben, so ist noch interessant zu wissen, dass die durch das Gehör empfundene Veränderung der Lautstärke nicht genau mit der Änderung der für diesen Schallpegel nötigen elektrischen Leistung übereinstimmt. Möchte man die gehörte Lautstärke verdoppeln, so muss der Verstärker die zehnfache elektrische Leistung an die Lautsprecher liefern.
2. Reflexionen
Die Hauptursache für Klangverfälschungen in einem geschlossenen Raum sind Reflexionen. Reflexion bedeutet in der Akustik ähnlich wie in der Optik die Umlenkung einer Welle an einem Hindernis um einen bestimmten Winkel. In der Optik gilt hier das Reflexionsgesetz. Es besagt, dass ein Lichtstrahl, der unter einem bestimmten Winkel Θ (griech. großes Theta) zur Flächennormalen auf eine reflektierende Fläche trifft, unter dem gleichen Winkel Θ wieder zurückgeworfen wird. Dabei erfährt er je nach Material mehr oder weniger starke Dämpfung, das heißt die Intensität des Lichtes nimmt ab. Dieses Gesetz gilt auch in der Akustik, allerdings nur bis zu einer bestimmten unteren Grenzfrequenz. Diese Grenzfrequenz ist von mehreren Faktoren abhängig. Erstens vom Flächengewicht des Materials. Je größer dieses ist, desto besser ist das Material zur Reflexion tiefer Frequenzen geeignet. Zweitens von den Abmessungen der Reflexionsfläche. Je größer die reflektierende Fläche ist, desto tiefere Frequenzen können reflektiert werden. Und drittens hängt die Grenzfrequenz sehr stark von der Oberflächenbeschaffenheit des Materials ab.
Raues Material kann drei Effekte auf eine Schallwelle besitzen, wie anhand des obigen Bildes erläutert werden soll. Die einzelnen Stufen im Bild haben die Höhe s. Ist die Wellenlänge λ der Schallwelle größer als s (tiefe Töne), so wird die Schallwelle nicht an den Stufen, sondern an der dahinter liegenden Ebene (gestrichelt) reflektiert. Sollte die Wellenlänge etwa gleich der Tiefe s sein, so wird die einfallende Schallwelle an den einzelnen quer stehenden Flächenelementen gestreut. Ist die Wellenlänge kleiner als s, so wird die Welle nach dem Reflexionsgesetz reflektiert. Im Bild sind für zwei Beispielwerte für s die zugehörigen Frequenzen der Schallwellen gegeben, die Streuung erfahren.
Die Auswirkungen von Reflexionen auf Tonsignale an einer bestimmten Hörposition wollen wir uns anhand des folgenden Bildes ansehen:
Es zeigt einen Hörraum mit Schallquelle sowie Hörposition. Den Hörplatz erreicht aufgrund der Schallreflexion an den Wänden, der Decke und des Bodens neben Direktschall (grün) auch indirekter Schall (rot bzw. orange).
Direktschall erreicht den Zuhörer wie der Name schon sagt auf direktem Weg von der Schallquelle. Er liefert den eigentlichen Informationsgehalt der Klangquelle und ist dafür verantwortlich, dass unser Gehör Schallquellen exakt lokalisieren kann. Grundsätzlich besitzt ein Raum immer dann gute Hörsamkeit, wenn möglichst viel Direktschall den Zuhörer erreicht. Mit Hörsamkeit wird übrigens in der Akustik allgemein die Eignung eines Raumes für die Tonwiedergabe beschrieben. Der Lautstärkepegel des Direktschalls ist nicht überall im Raum gleich, sondern fällt quadratisch mit dem Abstand der Hörposition zur Schallquelle ab.
Im Unterschied dazu besteht indirekter Schall, auch als Hall bezeichnet, aus Schallwellen, die auf Ihrem Weg von der Quelle zum Zuhörer bereits einmal oder mehrfach an Materialien reflektiert oder gebeugt wurden. Der indirekte Schall wird auch als diffus bezeichnet, da er (zumindest im Idealfall) statistisch überall im Raum gleich verteilt ist. Er ist daher auch an allen Punkten des Raumes gleich laut wahrzunehmen. Die Diffusität hängt dabei stark von der Materialzusammensetzung im Raum und der Verteilung der Gegenstände ab. Stark strukturierte Wandflächen, wie sie in reich verzierten barocken Opernhäusern oft anzutreffen sind, erhöhen die Diffusität. Dagegen begünstigen moderne Theater mit ihren kühl glatten Wänden den Diffusschall in keiner Weise. Indirekter Schall übernimmt ebenso wie direkter Schall eine wichtige Funktion am gesamten Klangeindruck. Aufgrund des indirekten Schalls kann unser Gehör die Größe des Raumes und dessen Beschaffenheit genauer wahrnehmen. Durch indirekten Schall entsteht bei Musik der Raumeindruck.
Ferner errechnet unser Gehör die Entfernung einer Schallquelle aus dem Verhältnis zwischen direktem und indirektem Schall. Gäbe es keinen indirekten Schall, so wäre eine derartige Berechnung nicht möglich.
Aufgrund des Wegunterschieds zwischen direktem und indirektem Schall kommt der indirekte Schall leicht verzögert beim Zuhörer an. Die Reflexionen, die der indirekte Schall mitmacht, sind Hauptursache dafür, dass er gegenüber dem Direktschall in seiner Intensität abgeschwächt ist. Bei jeder Reflexion gibt die Schallwelle nämlich Energie an das reflektierende Material ab. Wohin gelangt diese Energie? Aufgrund der Reibung wird ein Teil Energie in Wärme umgesetzt. Ein zweiter Anteil pflanzt sich im reflektierenden Material fort und wird somit gebeugt, und ein dritter Anteil wird von der Materialrückseite abgestrahlt. Der letzte Teil ist z.B. bei einer Wand dafür verantwortlich, dass Musik vom einen Raum in den nächsten hörbar ist. Diese Energie geht dem indirekten Schall verloren. Der Energieverlust ist dabei umso kleiner, je besser das Wandmaterial Schall reflektiert.
Charakteristisch für direkten Schall ist, dass er beim Abschalten der Klangquelle schlagartig verschwindet, während indirekter Schall noch für kurze Zeit im Raum verbleibt. Diese Zeit wird auch als Nachhallzeit bezeichnet. Ihr Wert steigt mit der Raumgröße. Hierauf wird später noch genauer eingegangen.
Zunächst wollen wir jedoch indirekten Schall betrachten, der innerhalb von 50 ms als erster nach dem Direktschall am Hörplatz eintrifft. Diese ersten Reflexionen (engl. Early Reflections) überlagern sich mit dem Direktschall. Unser Gehör nimmt diese zeitlich sehr schnell auf den Direktschall folgenden Reflexionen nicht getrennt war. Es ordnet sie dem Direktschall zu. Sie verstärken den Direktschall und sorgen für die Wahrnehmbarkeit der räumlichen Ausdehnung einer Schallquelle. Je schneller die ersten Reflexionen beim Hörer eintreffen, desto kleiner erscheint der Raum. Kommen die ersten Reflexionen hingegen erst nach etwa 50ms beim Hörer an, so fasst unser Gehör das als Indiz für einen großen Raum auf. Interessant ist auch der Umstand, dass die Wahrnehmung unseres Gehöres stark mit der Einfallrichtung der Reflexionen schwankt. Reflexionen, die aus Richtung des Direktschalls kommen werden praktisch ignoriert. Dagegen haben Reflexionen, die seitlich der Hörposition ihren Ursprung haben, großen Einfluss auf die Wahrnehmung der Räumlichkeit einzelner Schallquellen.
Aber die ersten Reflexionen können auch unangenehme Effekte bewirken. Ist die Reflexion um mehr als 10dB lauter als der Direktschall, was dann auftritt, wenn der Direktschall auf seinem Weg zum Hörer stark gedämpft wird, so zerfällt die realitätsnahe Ortung der Klangbühne. Das Ohr ordnet nun die Reflexion aufgrund ihrer großen Lautstärke als vermeintlichen Direktschall ein und den Direktschall als Reflexion. Damit nimmt der Hörer die Schallquelle nicht mehr aus Richtung des Direktschalls, sondern aus Richtung der Reflexion war. Insbesondere bei Theaterstücken ist dieser Umstand äußerst unangenehm, wenn man beispielsweise mit den Augen einen Schauspieler rechts am Bühnenrand lokalisiert, die Worte, die dieser Schauspieler spricht, jedoch aufgrund der Reflexionen von der Bühnenmitte zu kommen scheinen.
Ferner ist eine Überlagerung von Direktschall und Reflexion mitunter problematisch, wie mit Hilfe des folgenden Bildes erklärt werden soll.
Aufgrund der Zeitverschiebung besteht zwischen Original und Reflexion ein Phasenunterschied. Damit ist nichts anderes gemeint, als dass sich die direkt übertragene Schallwelle in einem anderen Schwingungszustand befindet, als die reflektierte Schallwelle. Die Größe der Verschiebung wird in Grad angegeben. Wegen dieser Phasenverschiebung kann die Überlagerung der Wellen zu einer Verstärkung des Schalldrucks an der Hörposition, aber auch zur Ausbildung neuer harmonischer Wellenkomponenten, zu einer Abschwächung oder garvölligen Auslöschung bei der Schwingungsfrequenz führen (Beispiele im Bild oben). Man nennt dieses Phänomen auch Kammfiltereffekt. Je intensiver der indirekte Schall ist, desto stärker ist der Kammfiltereffekt. Er ist maßgeblich an der "Verschmutzung" des Originalklangs durch den Raum beteiligt. Er führt zur Veränderung der Klangfarbe von Geräuschen, zu einer Verschmierung von Wortlauten, was deren Verständlichkeit verringert, und kann im Extremfall sogar zu einer Auslöschung einzelner Frequenzen führen. Auch Reflexionen, die nach 50ms beim Zuhörer eintreffen, sind am Kammfiltereffekt beteiligt. Diese Reflexionen, auch als Nachhall bezeichnet wollen wir nun unter die Lupe nehmen.
Sie werden von unserem Gehör anders wahrgenommen, als Reflexionen, die in den ersten 50ms das Ohr erreichen. Die Zeitdifferenz von 50ms oder mehr genügt unserem Gehör die Reflexion vom Direktschall zu unterscheiden und diese Schallwellen der Rubrik Nachhall zuzuordnen. Zunächst übermitteln derartige Reflexionen unserem Gehör den oben bereits erwähnten Raumeindruck, der die Musik erst richtig lebendig und einzigartig macht. Je mehr Reflexionen das Ohr erst nach 50ms erreichen, je geringer also der Anteil an ersten Reflexionen im Klangbild ist, desto größer erscheint uns der Wiedergaberaum. Problematisch sind allerdings scharfe Peaks im Nachhall, also Reflexionen, die zwar erst nach über 50ms am Ohr ankommen, die aber einen sehr hohen Lautstärkepegel besitzen. Diese Peaks nehmen wir als Echo wahr. Echos sind der Hauptgrund für schlechte Sprachverständlichkeit in Sälen und verhindern auch eine vernünftige Musikdarbietung. Besonders störend wirkt sich das Phänomen der Flatterechos auf den Klang aus. Flatterechos entstehen im mittleren und höheren Frequenzbereich, wenn eine Schallwelle auf eine Grenzfläche trifft und um 180 Grad gedreht zurück in ihren Ursprung reflektiert wird. Auf diese Weise wandert die Schallwelle solange zwischen Entstehungsort und reflektierender Fläche hin und her, bis ihre Energie durch Reibung aufgebraucht ist. Flatterechos bewirken ein undurchsichtiges Klangbild und werden begünstigt durch parallel verlaufende Reflexionsflächen gleichen Materials, beispielsweise parallele Wände.
Aufgrund des großen Einflusses des Nachhalls wurde die Nachhallzeit als wichtiges akustisches Gütekriterium für Schallanwendungen in geschlossenen Räumen eingeführt. Wir wollen jetzt näher auf diesen Begriff eingehen.
3. Nachhallzeit und Nachhalldauer:
Schaltet man in einem Raum eine Tonquelle ab, so dauert es einige Augenblicke, bis der Ton verstummt ist. Der Effekt, dass auch nach dem Ausschalten noch für kurze Zeit Schall im Raum verbleibt, wird als Nachhall bezeichnet. Er wird gebildet vom langsam verklingenden indirekten Schall. Dessen Schallwellen verbleiben nach Abschalten der Klangquelle noch im Hörraum, bis ihre Energie vollständig durch Reflexionen und der damit verbundenen Dämpfung aufgebraucht ist. Die Nachhallzeit gibt an, in welcher Zeit der Schalldruck in einem Raum vom ursprünglichen Lärmpegel auf -60 dB gefallen ist. Anders ausgedrückt beträgt der Schalldruck zu dem Augenblick, an dem die Nachhallzeit verstreicht, nur noch ein tausendstel des ursprünglichen Schalldrucks. Aber Vorsicht! Die Dauer der Wahrnehmung des abklingenden Nachhalls durch unser Gehör stimmt nur in den seltensten Fällen mit der gemessenen oder durch Formeln berechneten Nachhallzeit überein. Aus diesem Grund wird der Zeitabschnitt, in dem der Hall soweit verklungen ist, dass er unhörbar ist, mit einem eigenen Fachbegriff bezeichnet, der sogenannten Nachhalldauer. Im Gegensatz zur Nachallzeit ist die Nachhalldauer stark von der Lautstärke der Schallquelle abhängig. Gibt die Quelle laute Geräusche ab, so wird der Hall im Raum einen großen Einfluss auf die Wiedergabe besitzen. Der Hörer nimmt einen sehr halligen Raum mit langer Nachhalldauer wahr. Spielt exakt die gleiche Quelle hingegen leise, so fallen Reflexionen leiser aus und werden schneller abgedämpft. Daher wirkt der Raum weniger hallig und die Nachhalldauer wird vom Gehör als klein eingestuft. Ferner ist die Nachhalldauer stark vom Musikmaterial und den Umgebungsgeräuschen abhängig. Aus diesem Grund kann die Nachhalldauer eines Raumes subjektiv je nach vorliegenden Bedingungen unterschiedlich eingestuft werden. Die Nachhalldauer ist also im Gegensatz zur Nachhallzeit kein absoluter Wert und ist aus diesem Grund für akustische Optimierungen nur wenig geeignet.
Die Nachhallzeit eines Raumes ist ein weitaus aussagekräftigerer Wert. Es gibt eine Reihe von Formeln, um sie mehr oder weniger genau zu bestimmen. Relativ leicht ist die Berechnung mit der Formel von Sabine*:
Nach dieser Formel ergibt sich die Nachhallzeit T (in mancher Literatur auch RT60) des Raumes aus dem Quotienten aus 0,163 (Sabin´sche Nachhallkonstante) multipliziert mit dem Volumen V des Raumes in Kubikmetern und der totalen Absorption A. Die totale Absorption errechnet sich wiederum aus der Summe aller Raumflächen multipliziert mit dem jeweiligen Absorptionsgrad dieser Flächen und besitzt eine auf den ersten Blick merkwürdig klingende Einheit: m2O.F.. Die seltsame Einheit O.F. steht für "OffenesFenster" und kommt daher, dass der Absorptionsgrad α immer im Bezug auf den Absorptionsgrad eines offenen Fensters oder Lochs in der Wand des Raums gemessen wird. Ein Loch absorbiert den Schall ideal. Es reflektiert keinerlei Schallwellen. Daher wird α hier gleich 1 gesetzt. Alle anderen Materialien reflektieren den Schall mehr oder weniger stark. Ihr Absorptionsgrad liegt daher unter 1. Ein ideal reflektierendes Material, also ein Material, das absolut keinen Schall absorbiert, hätte ein α von 0. So etwas existiert allerdings in der Natur nicht, einige Materialien (z.B. Glas, Wand mit Anstrich) können jedoch praktisch als ideale Schallreflektoren angesehen werden. Die folgende Tabelle zeigt beispielhaft den Absorptionsgrad für im Hausbau wichtige Materialien [1]:
Material | Absorptionsgrad |
---|---|
Steinwand ohne Anstrich | 0,03 |
Wand mit Anstrich | 0,02 |
Glas | 0,02 - 0,03 |
Holzverkleidung | 0,06 - 0,10 |
Filz (12% Masse, 88% Luft) | 0,52 |
dünner Filz hinter Tapete | 0,60 |
Jutefilz 3/2" dick | 0,63 |
Jutefilz 3" dick | 0,77 |
Tapete | 0,10-0,16 |
Gipsdecke | 0,03 |
Korkverkleidung (1" dick, 1" Abstand zur Wand) | 0,40 |
Holzfußboden | 0,06-0,08 |
Parkett | 0,05 |
Teppich | 0,20-0,40 |
Vorhänge | 0,25 |
Stuhl (unbesetzt) | 0,14 |
besetzter Stuhl | 0,44 |
stark besetzter Saal | 0,95 |
Loch in der Wand | 1,00 |
Sieht man sich die Tabelle näher an, so fällt auf, dass insbesondere auch Personen den Absorptionsgrad im Raum stark beeinflussen. Halten sich viele Personen im Raum auf, so wird fast eine vollständige Absorption des Schalls erreicht (vollbesetzter Saal: α = 0,95).
Wir wollen nun ein Beispiel rechnen. Betrachten wir einen rechteckigen Raum. Der Einfachheit halber soll außer den Wand- Boden- und Deckenflächen keinerlei Material im Raum vorhanden sein. Folgende Daten seien gegeben:
Decke | Boden | Wandflächen 1 | Wandflächen 2 |
---|---|---|---|
Länge (L): 5m | 5m | Länge (L): 3m | Länge (L): 5m |
Breite (B): 3m | 3m | Höhe (H): 2,5m | Höhe (H): 2,5m |
Material: Gips | Material: Parkett | Material: Tapete | Material: Holzverkleidung |
Zunächst berechnen wir das Volumen des Raumes:
Nun sehen wir in der Tabelle zum Absorptionsgrad nach und bestimmen die Absorptionsgrade der einzelnen Flächen:
Deckenmaterial: Gips | α = 0,03 | Bodenmaterial: Parkett | α = 0,05 |
Wandmaterial 1: Tapete | α = 0,13 | Wandmaterial 2: Holzverkleidung | α = 0,08 |
Jetzt können wir die einzelnen Absorptionen der Flächen bestimmen und daraus dann die Gesamtabsorption Ages errechnen:
Die Berechnung der Nachhallzeit ist nun ein Kinderspiel. Wir setzen unsere bisherigen Ergebnisse in die Sabinsche Formel ein und erhalten:
In unserem Modellraum benötigt der Schall also 1,925 Sekunden, bis sein Pegel auf -60dB abgefallen ist.
Wer nicht gerne selber rechnet kann auch einen der auf vielen Internetseiten zugänglichen RT60 Acoustic Reverb Calculator verwenden. Unser Beispiel hat uns nun zwar gezeigt, wie groß die Nachhallzeit in unserem Modellraum ist, allerdings können wir mit diesem Wert noch nicht allzu viel anfangen. Innerhalb welcher Grenzen sollte die Nachhallzeit denn eigentlich liegen, um gute Ergebnisse zu erzielen?
Diese Frage kann leider so pauschal nicht beantwortet werden. Man muss klar in verschiedene Anwendungsfälle des Raumes unterscheiden. Soll der Raum für Sprachwiedergabe herhalten, so sollte er im Bezug auf die Sprachverständlichkeit optimiert werden. Da Echos und Nachhall die Wortlaute allgemein verfälschen und schwerer verständlich machen, sollten diese akustischen Schmutzeffekte möglichst ausgeschlossen werden. Das wird einerseits erreicht durch eine kurze Nachhallzeit, andererseits durch eine Reduzierung der Reflexionen, die erst nach 50ms den Hörer erreichen. Denn gerade die letzten Komponenten sind verantwortlich für Echos und Hall. Ein optimal auf Sprachverständlichkeit getrimmter Raum sollte eine gute Hörsamkeit für Sprache ohne akustische Hilfsmittel (Mikrofon, Verstärker, Lautsprecher) besitzen. Als Beispiel soll hier ein Schulzimmer genannt werden. Diese Räume sollten nach DIN eine Nachhallzeit von 0,4 bis 0,5 Sekunden aufweisen.
Bei Live-Musikwiedergabe wie Konzerten, Oper oder ähnlichem sieht der Sachverhalt etwas anders aus. Für Musikwiedergabe wird an die Hörsamkeit in erster Linie die Forderung nach möglichst großer Durchsichtigkeit gestellt. Auf der einen Seite sollte die Zeitdurchsichtigkeit optimal ausgebildet sein. Darunter versteht man, dass bis zu einem gewissen zeitlichen Abstand Einzeltöne durch unser Gehör voneinander unterschieden werden können. Akustisch schlechte Räume führen zu einer Verschmierung der Töne und damit zu einer Erniedrigung der Zeitdurchsichtigkeit. Der zweite wichtige Aspekt betrifft die Registerdurchsichtigkeit. Hiermit ist einerseits die Möglichkeit zur Unterscheidung einzelner Instrumente innerhalb der Musikdarbietung gemeint, andererseits die Unterscheidungsfähigkeit verschiedener Tonhöhen. Bei Musik muss aber ein gewisser Nachhall zugelassen werden, um die Darbietung nicht zu trocken, ohne Raumwirkung und farblos erscheinen zu lassen. Aus diesem Grund werden in auf Musik optimierten Räumen längere Nachhallzeiten zugelassen. Für musikalische Vorführungen sind möglichst geringe Reflexionen nach 80ms sicherzustellen. Nochmals zum Vergleich: bei der Optimierung auf Sprache wird ein Wert von 50ms angegeben. Damit kann die Nachhallzeit in gegebenem Raum für Musikwiedergabe etwas länger gewählt werden, als für Sprachoptimierung. Allerdings muss bei Musik noch ein weiterer wichtiger Aspekt berücksichtigt werden, die individuelle Interpretation des Musikmaterials. So ist oft ein extremer Nachhall als akustischer Effekt sehr gewünscht. Was wären gregorianische Chöre oder Orgelmusik ohne den sehr langen Nachhall von bis zu vier Sekunden in Kirchen? Daher ist die Wahl der Nachhallzeit gerade im Bereich der Musik oft auch eine Frage der Interpretation und des Zeitgeschmacks.
Das folgende Bild zeigt einige Anwendungsfälle für Hörräume und die als optimal angesehenen Nachhallzeiten:
Daheim in den eigenen vier Wänden haben wir es schließlich nochmals mit einer ganz anderen Form der Tonwiedergabe zu tun. Hier soll schließlich in der Regel kein Live-Konzert stattfinden, sondern eine Musikkonserve abgespielt werden. Nun haben wir jedoch folgendes Dilemma: auf dem Tonträger befindet sich bereits indirekter Schall - nämlich der des Raumes, in dem die Musik aufgezeichnet wurde. Viele als hervorragend bekannte Aufnahmen klingen nur deshalb so gut, weil die Aufnahme unter exzellenten akustischen Bedingungen durchgeführt wurde. Nun addiert unser heimischer Abhörraum aber ebenfalls einen zweiten Anteil an indirektem Schall zum indirekten Schall der Aufnahme hinzu. Dieser Effekt ist in den meisten Fällen unerwünscht und kann stark klangmindernd sein. Für Hifiwiedergabe steht daher grundsätzlich eines fest: die Nachhallzeit sollte für hochwertige Musikwiedergabe sehr niedrig sein, um den Einfluss des Hörraumes auf die Aufnahme gering zu halten. Nur auf diese Weise lässt sich klangmindernder Nachhall einschränken oder sogar praktisch eliminieren.
Auch für die Nachhallzeit existieren Tabellen, aus denen für bestimmte Raumvolumina die optimale Nachhallzeit abgelesen werden kann. Die Verwendung dieser Tabellen ist aber problematisch. Man muss sich immer im klaren sein, für welchen Anwendungszweck diese Tabellen aufgestellt wurden. Handelt es sich um Tabellen für die Konstruktion von Veranstaltungsräumen, bei denen es auf gute Sprachverständlichkeit ankommt? Oder für den Bau einer Konzerthalle mit langer Nachhallzeit, um Orgelmusik die richtige Prägnanz zu verleihen? Ein weiteres Manko ist, dass diese Tabellen für professionelle Verwendung geschrieben worden sind. Für kleine Räume, wie unser Wohnzimmer, können diese Tabellen meist nicht verwendet werden. Erst Räume ab etwa 400m3 Volumen aufwärts sind hier vermerkt. Trotz alledem soll im folgenden ein kleiner Ausschnitt aus einer solchen Tabelle gegeben werden, um ein Gefühl für die Größenordnung der Werte zu bekommen. Es handelt sich dabei um die Optimierung von Sälen für Sprachverständlichkeit [1]:
Raumvolumen (m3) | Nachhallzeit (s) |
---|---|
350 | 1,1 |
6000 | 1,6 |
20.000 | 1,9 |
Trotz der geringen Wertezahl sollte klar werden, dass die Nachhallzeit mit steigender Raumgröße ebenfalls größere Werte annehmen darf. Betrachten wir unser obiges Beispiel, so ist die Nachhallzeit unseres Modellraumes mit fast 2 Sekunden für Sprachwiedergabe katastrophal schlecht. Das ist allerdings auch nicht verwunderlich, da als Materialien fast nur stark reflektierende Substanzen verwendet wurden. Hätte der Raum 20.000 m3 Volumen, dann wäre der Wert akzeptabel, bei 37,5 m3 muss der Wert für gute Sprachwiedergabe jedoch noch deutlich herabgesetzt werden. Gleiches gilt selbstverständlich auch für die Wiedergabe von Tonträgern in diesem Raum. Die Nachhallzeit sollte in einem so kleinen Raum für Sprachwiedergabe auf jeden Fall unter 0,5 Sekunden fallen (zum Vergleich nochmals das Schulzimmer mit 0,4 s bis 0,5 s Nachhallzeit). Welche Nachhallzeit für Hifiwiedergabe am sinnvollsten ist und wie man einen Hörraum dahingehend optimiert erfahren Sie in Kürze in unserem vierten Artikel zur Raumakustik hier auf http://www.burosch.de
Die bisherigen Berechnungen zur Nachhallzeit stützten sich alle einzig auf die Sabin´sche Formel. In der Praxis führt diese Vorgehensweise auch in aller Regel zu akzeptablen Ergebnissen. Trotzdem soll nicht verschwiegen werden, dass es sich nur um eine grobe Näherungsrechnung handelt, die keinesfalls die exakt richtige Nachhallzeit des Raums zum Ergebnis hat. Problematisch ist beispielsweise, dass die Formel von Sabine nicht berücksichtigt, wie die Materialien im Raum angeordnet sind. Mitunter ergibt sich bei einer Umstrukturierung des Hörraums ein völlig neuer Klang, obwohl auf die Einzelflächen bezogen die selbe Materialzusammensetzung im Raum vorhanden ist.
Noch problematischer ist allerdings, dass die Nachhallzeit in der Realität frequenzabhängig ist. Dieser Umstand wird dadurch hervorgerufen, dass der Absorptionsgrad α eines Materials nicht für jede Schallfrequenz derselbe ist. In aller Regel sinkt α mit abfallender Frequenz. Während hohe und teilweise auch mittlere Tonlagen noch recht gut von Materialien mit hohem α gedämpft werden, hat das gleiche Material im Bereich tiefer Frequenzen praktisch keine Auswirkungen mehr auf den Schall. Durch die Frequenzabhängigkeit der Nachhallzeit werden manche Frequenzanteile eines Geräusches länger zum ausklingen benötigen, als andere Teile. Beispielsweise bewirkt sehr hartes Material, wie Stein oder Beton, eine starke Verzögerung des Nachhalls im Tieftonbereich. Steinräume klingen daher mitunter eher dumpf (hören Sie einmal Musik in einem Kellerraum aus Beton ohne Einrichtung). Räume, die mit schwingungsfähigem hartem Material ausgestattet sind, wie Holzvertäfelungen, verzögern den Nachhall dagegen in den mittleren Tonlagen. Das ist sicher der Grund, warum mit Holz ausgekleidete Räume tendenziell zu eher warmem Klangbild neigen.
Diese Effekte werden in der Formel von Sabine in keiner Weise berücksichtigt, da α hier linear in die Gesamtabsorption A eingeht. Normalerweise müsste daher eine aufwendige frequenzabhängige Aufstellung der Nachhallzeiten und eine anschließende frequenzspezifische Optimierung durchgeführt werden, was aber in der Praxis meist zu viel des guten ist.Wenn die Nachhallzeit eines Raumes angegeben wird, so wird daher immer ein Nennwert angegeben. Dieser wird bei einer Frequenz von 500Hz gemessen. Die folgende Abbildung (Quelle [4]) zeigt die Frequenzabhängigkeit. Interessant ist insbesondere, dass die Nachhallzeit umso frequenzabhängiger wird, desto höher ihr Nennwert ist, und dassdie Frequenzabhängigkeit in erster Linie den Tieftonbereich betrifft.
Ein weiteres großes Manko der Formel von Sabine betrifft die Schallabstrahlung über Lautsprecher, wie sie in unserem Anwendungsfall vorgesehen ist. Die Formel gilt nämlich nur dann so wie sie oben angegeben ist, wenn sich der indirekte Schall mit großer Diffusität und absolut gleichmäßig im Raum verteilt. Es soll also im gesamten Raum eine gleichmäßige Energiedichte des indirekten Schalls bestehen. Um das zu gewährleisten benötigt man neben spezieller Raumgeometrie und ideal reflektierendem Wandmaterial eineideale Punktschallquelle, die Schall kugelförmig abstrahlt und so den Raum nach allen Seiten hin gleichmäßig mit Tönen erfüllt. Lautsprecher sind aber leider weit davon entfernt ideale Punktschallquellen zu sein, wie im folgenden erläutert werden soll.
Lautsprecher haben die unangenehme und schwer kontrollierbare Eigenschaft, dass ihre Abstrahlung je nach Konstruktionsart mehr oder weniger frequenzabhängig ist. Sie besitzen dabei im Tieftonbereich eine annähernd kugelförmige Abstrahlung, ähnlich der von Punktschallquellen, zu den oberen Tonlagen hin wird die Schallausstrahlung jedoch bei den allermeisten Konstruktionen zunehmend gerichtet.
Während ein Lautsprecher bei großen Wellenlängen, also tiefen Tönen, im allgemeinen als Punktquelle angesehen werden kann, muss bei kürzeren Wellenlängen bzw. höheren Tonfrequenzendie Gehäusekonstruktion mit einbezogen werden. Hier sind insbesondere die Abmessung der Schallwand (das ist die Gehäusewand, in der die einzelnen Lautsprecher eingelassen und befestigt sind) zu betrachten. Wird ein Ton wiedergegeben, dessen Wellenlänge größer als die halbe Schallwandbreite ist, so kann der Lautsprecher nicht mehr als punktförmige Quelle angesehen werden. Die Abstrahlung ähnelt jetzt eher einer Halbkugel. Mit zunehmender Tonfrequenz (bzw. kleiner werdender Wellenlänge) wird die Abstrahlung immer gerichteter, d.h. je höher die Frequenz, desto schmaler strahlt der Lautsprecher ab.
Treffend ist hier sicher ein Vergleich zwischen einer Glühlampe und einem Punktstrahler in der Beleuchtungstechnik. Während die Glühlampe die Lichtenergie weitestgehend kugelförmig um sich herum ausstrahlt und so den Raum gleichmäßig beleuchtet, zentriert ein Punkstrahler das Licht auf einen hellen Lichtkreis. Ähnlich verhält sich der Lautsprecher. Bei tiefen Frequenzen strahlt er nahezu kugelförmig ab (Glühbirne), während mit zunehmender Frequenz der Schall immer mehr auf einen kleinen Kreis zentriert kegelförmig abgestrahlt wird (Punktstrahler).
Wenn wir mit diesen Erkenntnissen nochmals das indirekte Schallfeld betrachten, so stellen wir fest, dass es zwar im Bereich der tiefen Töne gleichmäßig im Raum verteilt ist, mit steigender Frequenz jedoch zunehmend Vorzugsbereiche für indirekten Schall existieren. Diese Vorzugsbereiche hängen von der Richtcharakteristik der verwendeten Lautsprecher ab.
Wie leicht einzusehen ist verkomplizieren die oben genannten Sachverhalte die Arbeit der Raumakustiker bei der akustischen Optimierung von Säalen sehr stark. Es ist generell unmöglich einen für jeden Anwendungszweck perfekt geeigneten Hörraum bereitzustellen. Da sich insbesondere die Rahmenbedingungen ständig ändern (z.B. durch schwankende Anzahl der Zuhörer im Raum), besitzt der Raumakustiker nur ungefähre Anhaltspunkte, nach denen die Architektur und Innenausstattungdes Raumes ausgewählt werden kann. Professionelle Raumakustiker verwenden aufgrund der Defizite die Formel von Sabine in der Regel nur für eine erste Überschlagsrechnung. Genauere Resultate erhält man durch Messung oder Computersimulation (Beispielprogramme finden Sie in den Quellenangaben).
Auf der anderen Seite sorgt gerade diese Einmaligkeit der Akustik in einem bestimmten Raum für das einmalige Erlebnis eines Live-Konzerts. Hätten alle Räume eine ähnliche Akustik, so würde sich ein Orchester in jedem gleich beschaffenen Raum auch gleich anhören. So jedoch existieren gewaltige Unterschiede. Ein und das selbe Orchester wird beispielsweise in der Semper Oper ganz anders klingen, als in der Mailänder Skala.
4. Der Hallradius
Der indirekte Schall bildet im Raum ein Diffusschallfeld, das sich mit dem Direktschallfeld überlagert. Dies hatten wir bei der Betrachtung der Reflexionen im ersten Abschnitt dieses Artikels gesehen. Je weiter man sich von der Schallquelle entfernt, desto geringer wird naturgemäß der Anteil des Direktschalls am Höreindruck, da der Direktschall wie oben bereits erwähnt quadratisch mit dem Abstand zur Schallquelle abfällt. Der Pegel des Diffusschalls hingegen ist im Idealfall überall im Raum gleich. Daher wird er den direkten Schall ab einem bestimmten Abstand von der Schallquelle überwiegen.
Der Ort, an dem die beiden Schallfelder exakt gleiche Pegel aufweisen, wird als Hallradius bezeichnet. Er bildet sich theoretisch kreisförmig um die Schallquelle aus (daher der Name "Radius"), in der Praxis (keine Punktschallquelle sondern Lautsprecher) kann diese Linie jedoch auch etwas anders verlaufen, da die Abstrahlung von Lautsprechern, wie wir bei der Behandlung der Nachhallzeit gesehen haben, bei weitem nicht für alle Frequenzen als punktförmig angesehen werden kann.
Für die analytische Berechnung des Hallradius benötigen wir den eben vorgestellten Begriff der Nachhallzeit. Mit deren Hilfe und der folgenden Formel kann der Hallradius überschlagsmäßig herausgefunden werden.
Man bildet zunächst den Quotienten aus dem Raumvolumen V und der Nachhallzeit T und multipliziert die Quadratwurzel dieses Quotienten mit 0,057.
Selbstverständlich übertragen sich alle Fehler, die sich bei der näherungsweisen Berechnung der Nachhallzeit eingeschlichen haben (z.B. keine Berücksichtigung der Frequenzabhängigkeit) auch auf den Hallradius. Daher sollte auch dieser Wert nicht als absolut korrekt betrachtet werden. Es handelt sich auch hierbei um einen mit der Praxis recht gut übereinstimmenden Richtwert.
Wir wollen für unseren obigen Beispielhörraum den Hallradius berechnen. Es galt:
Volumen des Raumes: 37,5 m3Nachhallzeit: 1,925 s
Daraus erhalten wir mit der Formel für den Hallradius:
In unserem Fall liegt der Hallradius aufgrund des recht halligen Raumes bei nur 25cm.
Wozu ist der Hallradius in der Praxis nütze? Mit Hilfe des Hallradius kann überschlagsmäßig berechnet werden, ab welchem Abstand von der Schallquelle der Diffusschall den Direktschall überwiegt. Dieses Wissen kann dann für die grobe Bestimmung des optimalen Aufstellungsortes für die bei der Aufnahme verwendeten Mikrofone nützlich sein.
5. Messung:
Um einen Raum nach akustischen Aspekten zu beurteilen bietet sich nach wie vor das Messen des Reflexionsverlaufs an. Dabei wird der Raum durch ein knallartiges Geräusch angeregt und die Schallintensität an einer Messstelle über der Zeit gemessen. Als Ergebnis erhält man sogenannte Reflektogramme, wie sie im folgenden Bild dargestellt sind.
Im linken Reflektogramm ist ein Raum mit denkbar ungünstiger Akustik gezeigt. Man beachte vor allem die große Reflexionslücke und die scharfen Peaks im Nachhall. Die Reflexionslücke bewirkt, dass Reflexionen unter 50ms kaum auftreten. Schallquellen werden daher dünn und ohne räumliche Ausdehnung klingen. Die scharfen Peaks führen dagegen wie oben bereits angedeutet wurde zu ausgeprägten Echos, die die Sprachverständlichkeit stark beeinträchtigen.
Im rechten Reflektogramm hingegen sieht man einen gleichmäßig abklingenden Nachhall. Eine Reflexionslücke tritt genauso wenig auf, wie störende scharfe Echokomponenten. Ein Raum, zu dem dieses Reflektogramm gehört weist mit Sicherheit gute akustische Bedingungen auf.
Bekannt ist auch die Messung mittels MLS (Maximum-Length Sequence). Insbesondere im Bereich der Sprachverständlichkeit können mit dieser Methode sehr gute Ergebnisse erzielt werden. Unter anderen unterstützt das bekannten Messystem MLSSA ("Melissa") diese Technik. Wer mehr erfahren möchte, der sei auf deren Internetseite verwiesen.
*W.C.Sabine: amerikanischer Naturwissenschaftler, 1869 - 1919
Quellenangaben:
- Handbuch der Elektroakustik; Günther Boye, Urbi F. Herrmann; Hüthig Buch Verlag Heidelberg; ISBN:3-7785-1575-6
- TMR Audio
- Dokument zur 5. Internationalen Internet- und Multimedia-Tagung (Zürich, 24.10.2002); "Raumakustik und Multimedia"; Autor: Kurt Eggenschwiler
- sengpielaudio.co.uk
- EMPA/HSR-Tagung 2001; "Holz in der Raumakustik"; Autor: Kurt Eggenschwiler
- Klang - Musik mit den Ohren der Physik; John R.Pierce; Spektrum der Wissenschaft; ISBN: 3-922508-72-3
- Audio Consequent
- Referat über Raumakustik
Computerprogramme zur Simulation der Raumakustik