Auf den Trichter gekommen - Neue NF Audio Messtechnik
Nehmen wir an, der Dirigent befiehlt nach Tutti und Paukenschlag plötzlich absolute Ruhe. Für mit der Wiedergabe beschäftigte Lautprecher gar nicht so einfach. Zum einen schwingen die relativ schweren Basschassis nach, wobei sie wie ein Dynamo ordentlich Strom generieren. Weil außerdem die Kondensatoren und Spulen der Frequenzweiche für ein Auseinanderdriften der zeitlichen Bezüge zwischen Strömen und Spannungen gesorgt haben, steckt in ihnen auch noch viel Energie.
Stromverlauf bei plötzlicher Zustandsänderung (120-Hertz-Rechtecksignal) an komplexer Last.
Jetzt heißt es für den Verstärker: Wie gehe ich damit möglichst HiFi-gemäß. um? Vor allem günstigere Exemplare besitzen eine Korrekturschleife namens Über-alles-Gegenkopplung, die vom Ausgang auf den Eingang des Amps zurückführt. Diese interpretiert die Schallwandler-Rückwirkungen als Fehler und sorgt mit einem eigens erzeugten Gegensignal dafür, dass sich - im Beispielfall plötzliche Ruhe - an den Boxenklemmen der Spannungswert Null ergibt.
Alles prima? Mitnichten, denn Während der vermeintlichen Korrektur findet ja ein erheblicher Energieumsatz statt, der in der Frequenzweiche und bei dem nur via Zeitverzüge erreichbaren Chassis = nicht nur zur Richtigkeit, sondern in unserem Beispiel zu irgendeinem Nachtönen, sprich zu deutlichen Klangverfälschungen führt.
Viele highendige Entwickler lehnen allzu straffe Gegenkopplungen schon deshalb ab, weil sie den natürlichen Klirrverlauf gefährden. Jetzt wird klar: Mit der besseren Reaktion auf die Boxenrückwirkungen kommt ein weiteres wichtiges Argument für den Verzicht hinzu.
Oder kam, denn in den Köpfen war das salopp Gegen-EMK genannte Problem schon lange präsent. Aber bis dato eben nicht konkret auf Diagrammen. Doch jetzt kann stereoplay weltexklusiv erstmals Messungen zeigen, die mit den Hörtests korrelieren.
Über den Spannungsabfall an einem extra induktions- und klirrarmen 0,1 -Ohm-Widerstand wird der Strom breitbandig erfasst.
Gegen-EMK-Verzerrung vergrößert - sieht noch harmlos aus, liegt aber im deutlich hörbaren Prozentbereich!
Ausgangsstufe ohne Gegenkopplung
Übliche Über-alles-Gegenkopplung
Morgenluft deutete sich schon in einem Experiment im Märzheft an. Im Gegensatz zu den Verhältnissen bei rein Ohmscher Last offenbarte ein starker Transistorverstärker am Boxensimulator wider Erwarten eine größere Bass-Klirrzunahme als eine relativ schwache Röhre.
Inzwischen wurde klar - unter anderem sei Brinkmann Dank - dass der ungesunde Nachschwing-Energieumsatz nicht wirklich und umfassend über die Spannung, sondern nur über die wahre treibende Kraft, also über den Strom gemessen werden kann.
Ergo schauten sich die Tester bei den hier vorgestellten Verstärkern den Stromverlauf bei einer plötzlichen Zustandsänderung an, sprich bei Bass- Rechteckimpulsen. „Warum jetzt erst“, knurrten sie dann, denn jetzt zeigte sich deutlich, dass der im Ausgang ohne Gegenkopplung arbeitende Brinkmann sich am günstigsten verhält. Er dämpft den Energiefluss mit seinem Ausgangs- widerstand („aperiodisch“), und fertig. Relativ brav benahm sich auch der RG 9 von Symphonic Line, obwohl er sich ein wenig Nachschwing-Stromzugabe nicht verkneifen konnte. Unter den neuen Gesichtspunkten leisteten sich der Marantz und der Musical Fidelity größere Überreaktionen, die akustisch de facto zu etwas weniger Auflösung führen.
Bingo! Damit wird sichtbar, was sich bis dato erfolgreich verbarg. Und es wird nicht nur bei einem Diagramm bleiben; die neuen Erkenntnisse wer- den in Kürze zu einer ganz neuen Messtechnik führen. Zu einer, die Anpassungsprobleme endlich klärt und vermeidet. Und zeigt, welche Boxen mit welchen Verstärkern wirklich (l) harmonieren.
Der Verzicht auf die Gegenkopplung in der Ausgangsstufe (oben) führt zu höheren „Prospekt“-Verzerrungen .32 an Ohmschen Widerständen. Dafür erzeugt die Über-alles-Gegenkopplung zusammen mit den Boxen zeitlich fehlerhafte Korrektursignale.
Stößt das Tor auf für eine neue HiFi-Messtechnik: Laborleiter Peter Schüller im Burosch NF Labor bei der Rechteck-Strommessung am Lautsprechersimulator.